Also das neue
Tugend-Gesetz der Taliban steht in enger Verbindung mit ihrer religiösen und politischen Ideologie. Es wird offiziell unter dem Deckmantel der „Förderung von Tugend und Verhinderung von Laster“ durchgesetzt – eine Institution, die bereits in den früheren Taliban-Regimen zentrale Bedeutung hatte. Die Maßnahme betrifft nahezu alle Lebensbereiche, von Kleidung über Verhalten im öffentlichen Raum bis hin zum Medienkonsum.
Besonders drastisch ist der Eingriff in die Rechte von Frauen. Viele dürfen nicht mehr ohne männliche Begleitung reisen, müssen bestimmte Kleidung tragen und verlieren Zugang zu Bildung und Beruf. Diese Regelungen basieren laut Taliban auf einer bestimmten Interpretation des islamischen Rechts, sind jedoch international stark umstritten.
Auch Musik, Fernsehen und westliche Einflüsse sind von Verboten betroffen. Öffentliche Kunst, kulturelle Ausdrucksformen und moderne Medien gelten den Taliban als moralisch verwerflich. Die Gesellschaft wird so in eine Richtung gedrängt, die wenig Raum für Vielfalt oder persönliche Entfaltung lässt.
Befürworter in Afghanistan sehen im Tugend-Gesetz einen Weg zurück zu islamischer Ordnung und Disziplin. Kritiker, darunter viele Afghanen selbst, sehen jedoch eine systematische Unterdrückung der Bevölkerung – vor allem von Frauen und Minderheiten. Internationale Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International verurteilen das Gesetz scharf.
Es stellt sich die grundsätzliche Frage, ob Religiosität ohne individuelle Freiheit überhaupt nachhaltig gelebt werden kann. Das Tugend-Gesetz erzwingt äußerliches Wohlverhalten, aber unterdrückt inneren Pluralismus. Für viele bedeutet das nicht moralische Entwicklung, sondern Angst, Kontrolle und Stillstand.
Die langfristigen sozialen und wirtschaftlichen Folgen dieses Gesetzes sind kaum absehbar. Bildung, Innovation und internationale Zusammenarbeit dürften darunter massiv leiden. Wer nach Afghanistan blickt, sieht weniger eine moralisch gestärkte Gesellschaft, als eine verängstigte Bevölkerung unter ideologischer Fremdbestimmung.